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Psycho-Blog vom 08.08.2007 - gegen 13.15 Uhr MESZ - Perma-Link

- Hilfeverhalten -

Der Laie könnte vermuten, dass bei Anwesenheit vieler Personen in einer Notfallsituation auch viele einem Opfer helfen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Gerade bei Anwesenheit vieler potentieller Helfer in einer Notfallsituation schreitet oftmals niemand ein. Aber woran liegt das? Dies und anderes zum Thema Hilfeverhalten soll in diesem Beitrag thematisiert werden.

Zunächst einige Begrifflichkeiten: Der Begriff Hilfeverhalten ist relativ weitgefasst und umfasst jedwedes Verhalten, welches der Besserung der Situation eines Hilfeempfängers dient. Dies kann im Rahmen einer bezahlten beruflichen Tätigkeit z.B. als Altenpfleger oder Krankenschwester geschehen oder auch in einem privaten und sozialen Umfeld und ohne auf Bezahlung ausgerichtet zu sein. Prosoziales Verhalten beinhaltet, dass man anderen in der Erwartung hilft, dass einem selbst später auch geholfen wird. Ist das Hilfeverhalten primär uneigennützig, wobei der Helfende auch Nachteile für sich selbst in Kauf nimmt, so spricht man von Altruismus.

Manche Forscher vertreten dabei auch die Annahme, dass jegliches Hilfeverhalten egoistisch motiviert ist: Das Leid anderer erzeugt demnach negative Gefühle im Beobachter, was diesen dazu motiviert zu helfen, um den eigenen Gefühlszustand zu verbessern. Man kann allerdings auch wegsehen und verdrängen

Die Entwicklung des individuelle Hilfeverhaltens hängt von sozialen Einflüssen ab, ist allerdings auch evolutionär-genetisch bedingt. Letzteres hat damit zu tun, dass es dem reproduktiven Erfolg dienlich ist, wenn Eltern ihren Kindern Hilfe zukommen lassen. Daher tun Eltern überwiegend sehr viel für ihre Kinder... während umgekehrt Kinder ihren Eltern nicht unbedingt in einem solch starken Maße (freiwillig) helfen ... Allgemein steigt die Hilfsbereitschaft mit dem wahrgenommenen Verwandtschaftsgrad, der Gesundheit und der Fitness von Verwandten.

Von Einfluss ist auch die Stimmung, in der man sich befindet. Hilfeleistung ist zum einen dann besonders wahrscheinlich, wenn man sich in einer guten Stimmung befindet. Dies kann damit erklärt werden, dass bei positiver Stimmung auch eher positive soziale Handlungsmuster aktiviert sind. Zum anderen bewirkt eine positive Stimmung auch eine optimistische Weltsicht, so dass man als potentieller Helfer auch in geringerem Maße auf mögliche negative Folgen einer Hilfeleistung achtet (dass man dabei selbst Verletzungen erleiden könnte). Allerdings kann u.U. auch eine negative Stimmung Hilfeleistung fördern - nämlich dann, wenn man durch die Hilfeleistung das eigene Selbstwertgefühl steigern kann (z.B. im Falle eines schlechten Gewissens).

Zum einen unterscheiden sich Menschen in ihrer persönlichen Bereitschaft zu helfen. Zum anderen hängt es von der Gestaltung der Situation ab, ob Menschen anderen in einer Notsituation helfen oder nicht. Es sind v.a. bestimmte Situationsmerkmale, die Hilfeverhalten hemmen oder fördern!

Darley und Batson (1973) haben ein Experiment durchgeführt, in dem sie das freiwillige Hilfeverhalten von Theologiestudierenden untersuchten - in der Annahme, dass Theologiestudierende auch besonders hilfsbereit seien ... Dabei wurden zwei Bedingungen variiert:

1. Eine Hälfte der Studierenden hatte sich mit der Parabel des barmherzigen Samariters (Lukas 10, 25-37) zu beschäftigen, wodurch das Thema Hilfeverhalten besonders in den Fokus gerückt werden sollte. Die andere Hälfte hatte sich als Kontrollgruppe mit Problemen des Berufs zu beschäftigen.

2. Nach dem Seminar mussten die Studierenden in einen anderen Raum wechseln, wobei der Zeitdruck in drei Stufen variiert wurde (wenig, mittel, viel Zeit).

Auf dem Weg zu dem anderen Raum trafen die Studierenden auf eine hilfebedürftige Person, die auf dem Boden lag. Gemessen wurde die Häufigkeit der Hilfeleistung.

Nun ratet mal, wie viel Prozent der Studierenden der vermeintlich hilfebedürftigen Person bei mittlerem Zeitdruck geholfen haben!









In dem Experiment zeigte sich zunächst ein Effekt für die Bedingung hilferelevanter Bibeltext vs. neutrales Thema. Den stärksten Einfluss hatte jedoch die Bedingung Zeitdruck! Hatten die Studierenden viel Zeit, so halfen 80 % der Studierenden, die sich vorher mit der Parabel des barmherzigen Samariters beschäftigt hatten, bei mittelmäßig viel Zeit waren es etwas unter 50 %, bei wenig Zeit etwas über 20 %. Von den Studierenden, die sich vorher mit dem neutralen Thema beschäftigt hatten, halfen noch weniger.


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Dass gerade bei Anwesenheit vieler potentieller Helfer niemand hilft (sog. Bystander-Effekt), ist auf folgende Sachverhalte zurückzuführen:

- Pluralistische Ignoranz: Eine Notfallsituation ist etwas Außergewöhnliches und Neues. In einer neuen Situation versuchen wir zunächst, uns am Verhalten anderer zu orientieren, um zu erkennen, was in dieser Situation angemessen wäre. Wenn auch die anderen in dieser Situation nicht reagieren, dann schätzen wir die Situation als harmlos ein und gehen davon aus, dass ein Eingreifen nicht notwendig ist.

- Verantwortungsdiffusion: Bei Anwesenheit anderer reduziert sich die erlebte Verantwortung des einzelnen. Der einzelne denkt sich: Warum sollte ich helfen, wenn noch viele andere da sind, die das auch tun könnten?

- Angst vor Bewertung: Der einzelne mag eine gewisse Motivation haben, einem Opfer zu helfen. Aber er hat auch Angst, etwas falsch zu machen - umso mehr wenn auch andere anwesend sind, deren Bewertung er sich ausgesetzt fühlt. Wie lange liegt beispielsweise der Erste-Hilfe-Kurs zurück? Und was könnte man da alles falsch machen?

Ein bekanntes und dabei sehr erschreckendes für den Bystander-Effekt ist der Fall Kitty Genovese aus den USA, die 1964 in ihrem eigenen Wohnhaus einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Während des Angriffs, der sich über mehrere Stunden hinzog, wurden 38 Personen Zeugen des Überfalls, von denen jedoch niemand dem Opfer half!

Nach einem Fünf-Stufen-Modell von Darley und Latané (1968) müssen fünf Bedingungen gegeben sein, damit Hilfeverhalten auftritt:

1. Das Ereignis muss wahrgenommen werden.

2. Das Ereignis muss so interpretiert werden, dass Hilfe notwendig ist (das Opfer muss seine Hilfsbedürftigkeit signalisieren und der Kontext muss für eine Notsituation sprechen).

3. Der Beobachter muss seine persönliche Verantwortung erkennen (reduziert sich bei Anwesenheit anderer).

4. Der Beobachter muss über geeignete Handlungsoptionen zum Helfen verfügen (z.B. Kenntnisse in erster Hilfe).
5. Der Beobachter muss eine Entscheidung zum Helfen treffen.

Jede dieser Stufen muss erfüllt sein, damit Hilfeverhalten auftritt. Ansonsten ist Hilfeleistung sehr unwahrscheinlich!

Was eine hilfebedürftige Person in einer Notsituation tun kann:

1. Die Hilfebedürftigkeit deutlich machen: "Ich brauche Hilfe!"

2. Die Verantwortlichkeit des Beobachters und potentiellen Helfers deutlich machen: "Ich brauche DEINE Hilfe!"

3. Wechselseitige Identifikation von Opfer und potentiellem Helfer: "Versetze Dich in meine Lage!"

4. An Normen und soziale Erwartungen appellieren.


Es kann natürlich sein, dass man selbst aufgrund mangelnder Kenntnisse, Fähigkeiten oder aufgrund situativer Bedingungen zu einer Hilfeleistung nicht in der Lage ist. Allerdings kann auch ein Anruf mit dem Handy eine Hilfeleistung sein

Ein potentieller Helfer ist auch für sein eigenes Wohlergehen verantwortlich, sowohl was die körperliche Unversehrtheit anbelangt als auch im Hinblick auf weitergehende Folgen. Ein persönliches Einschreiten als Einzelperson in eine Schlägerei ist damit vielleicht nicht immer und unbedingt die geeignetste Methode des Helfens. Und es ist psychologisch beispielsweise auch nicht damit zu rechnen, dass eine von ihrem Mann geschlagene Frau im Falle eines Prozesses vor Gericht zugunsten eines Helfers aussagen wird. Hier müssen noch andere situative Merkmale gegeben sein, dass der Helfer ggf. so etwas wie Notwehr oder Nothilfe nachweisen kann. Aber das ist dann vielleicht eher ein Thema für einen juristischen Blog


Eingeordnet in: Psychologisches


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Bisher 7 Kommentare


1. Kommentar von Mr.D. gepostet am 08.08.2007 / 13:57 Uhr:
Ein sehr fundierter Beitrag! Ich habe mal gehört, es sei gar nicht so gut "Hilfe!Hilfe!" zu rufen, da sehen die menschen tendenziell eher weg..."Feuer!Feuer! wäre besser, hat irgendwas mit Urinstinkten zu tun.

MfG Mr.D.

P.S. Kommen zwei Polizisten an einem Teich vorbei, wo ein Ertrinkender ruft: "Help me! Help!"
Sagt der eine zum anderen Polizisten:
"Hör mal! Der kann englisch!"
Der andere: "Na und, hat es ihm was genutzt?"


Anmerkung des Webmasters: Danke für Deinen Kommentar

Wenn jemand "Feuer" ruft, könnte das aber auch wieder eine Fluchtreaktion auslösen.



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2. Kommentar von Mo gepostet am 08.08.2007 / 17:19 Uhr:
Ein sehr interessantes Thema.....

Ich glaube, dass es für Bedürftige oftmals auch schwierig ist, um Hilfe zu bitten. In einer Gefahrensituation findet das vielleicht intuitiv statt. Aber ich habe schon häufig meine Hilfe angeboten, wo ich den Eindruck hatte, es geht jemandem nicht so gut oder er könnte Hilfe gebrauchen ( z.B. alte Menschen beim Tragen von schweren Einkaufstüten ) und meist wurde diese Hilfe auch dankbar angenommen. Gefragt hat mich hingegen noch niemand...vielleicht aus Scham, vielleicht auch aus Angst vor Zurückweisung.


Anmerkung des Webmasters: Danke für Deinen Kommentar

Man muss vielleicht auch differenzieren, wie notwendig Hilfe in einer bestimmten Situation, d.h. wie akut eine Notfallsituation ist. Eine ältere Frau, die schwere Taschen zu schleppen hat, ist weniger in einer Notfallsituation als das Opfer eines Gewaltverbrechens. - Hilfe annehmen zu müssen, kann den eigenen Selbstwert bedrohen. Man fühlt sich nicht mehr in der Lage, eine Situation allein zu bewältigen und ist anderen ausgeliefert.


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3. Kommentar von Eveline gepostet am 08.08.2007 / 18:32 Uhr:
Kürzlich habe ich SEHR DEUTLICH um Hilfe gebeten und sämtliche Rumstehenden haben erstmal nur blöd geschaut.
Jemand wird ohnmächtig, eine Person blieb dort, ich rannte nach Hilfe - ganz ehrlich, unterwegs habe ich gemeint, ich müsste ein paar Leuten eine Ohrfeige verpassen vor lauter Geht-mich-nix-an... *wüt*

Noch so ein Fall der Radunfall letztes Jahr: ich glaube bis heute nicht, dass die alle kein Handy dabeihatten... Im Nachhinein stellte sich heraus, dass ein Notruf auch im Ausland nichts kostet, mir war's das Auslangsgespräch wert, um die Rettung anzurufen....

Das ist so was, das ich nie im Leben verstehen werde - hoffentlich kriegen die Nichthelfer auch Hilfe, wenn sie sie mal brauchen - und ändern dann danach ihr Verhalten....
LG Eveline


Anmerkung des Webmasters: Danke für Deinen Kommentar

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4. Kommentar von Trick_17 gepostet am 09.08.2007 / 10:07 Uhr:
Ein sehr interessanter Beitrag, und einiges war mir neu. Dass einige Menschen nicht unbedingt helfen, dass war nicht unbekannt, selbst in eindeutigen Situationen. Bei uns gab es mal den Fall einer Vergewaltigung auf einer Wiese im Wohngebiet. Das löste viele Diskussionen aus. Und wenn ich mich recht entsinne, dann wurde auch das empfohlen, was Mr.D. geschrieben hat. Laut "Feuer" zu rufen. Weil die Neugier mancher Menschen stärker ist.

Anmerkung des Webmasters: Danke für Deinen Kommentar

Das mit dem "Feuer-Rufen" kannte ICH bisher nicht

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5. Kommentar von Wilhelm Entenmann gepostet am 09.08.2007 / 17:51 Uhr:
Der Ruf Feuer! (auch hierzu gab es ein Experiment) bringt es auf den Punkt: Menschen handeln stets zu ihrem Vorteil, bzw. erst dann, wenn sie selbst betroffen sind. Der scheinbare Altruismus ist doch nur ein reziproker Altruismus = der Einsatz von persönlichen Ressourcen muß langfristig belohnt werden, i.e. der eigenen Reproduktion dienlich sein. Kein Wunder, daß man die Forschung in diesem Bereich eingestellt hat. Eine Forschung, welche man ja einst wegen einer Krankenschwester aus New York, die stundenlang zu Tode gefoltert worden war und der die Nachbarschaft trotz hörbarer Hilferufe nicht half, mit viel Euphorie (70er Jahre) gestartet hatte. Gewiß gab und gibt Fälle von absolutem Altruismus, aber eben nur wenige. Wer so in der Entstehungsgeschichte der Menschheit gehandelt hat, der flog aus der Evolution raus, ist ein Fall für den Darwin Award gewesen. ...solches aber hören die meisten Laien aber nicht gerne, zerstört es doch den romantisch idealistischen Blick auf das Wesen des Menschen, der gut zu sein hat.

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6. Kommentar von Ocean gepostet am 09.08.2007 / 20:26 Uhr:
Guten Abend, lieber Falk

einen tollen und wirklich fundierten Eintrag hast du da verfaßt. Interessanterweise haben wir gerade vorhin über das Thema geredet. Im Zusammenhang mit der Neigung mancher Menschen, lieber wegzuschauen ...

was ja auch Teil meines heutigen Eintrags zum Thema Kindesmißbrauch ist.

Daß der Zeitfaktor sehr maßgebend ist, glaube ich sofort. Ein Mensch, der ohnehin schon unter Druck ist, setzt sich noch ungerner einer schwierigen unbequemen Hilfesituation aus, zumal viele dann denken "was, wenn ich etwas falsch mache".

In dem Ersthelferkurs im Frühjahr wurde uns gesagt, das einzig Falsche was man als Ersthelfer tun kann, ist nichts tun - und Medikamente verabreichen. Übrigens wurde uns auch das "Feuer" rufen empfohlen, weil es im Menschen den Neugier- und Sensationslust-Instinkt am ehesten wecken soll.

Das, was Eveline schreibt, ist wirklich erschreckend. Aber es gab ja schon diverse Versuche, wo Leute "testhalber" auf der Straße überfallen wurden - viele sahen es, aber kaum einer bzw. gar keiner half den Betroffenen. Erschreckend. Und so sind auch Kindesmißhandlungen im nachbarlichen Umfeld möglich .. die Leute gucken nicht hin .. oder sagen gar "das geht mich nix an". Nachdenken über Problematiken? total unbequem, bloss nicht ...

Danke dir für den Eintrag ;) Die Dresdner Heide schau ich mir morgen an ... einen schönen Abend für dich und liebe Grüsse, Ocean


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7. Kommentar von Sabine gepostet am 10.08.2007 / 11:34 Uhr:
Hallo Falk, ein sehr guter Beitrag. Ich musste daran denken, dass , ich glaube es war in den 70ziger, im Olympiaparkteich in München ein Mensch ertrunken ist und viele Menschen zusahen und nicht eingeschritten sind. Wenn ich mich richtig erinnere, wurden Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung eingestellt, da es sich um so viele Menschen handelte. Nun zu den Theologen. Es sind genauso solche Menschen wie Du und ich, mit genauso viel Dreck und Leichen im Keller, wie viele Menschen. Ich spreche aus Erfahrung, da meine 3 Geschwister ev. Theologen sind. Und in Studentenheimen mit Theologie Studenten wird in Gemeinschaftsräumen, z. B. Küchen, mehr geklaut als in anderen Wohnheimen. LG Sabine

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