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Psycho-Blog vom 19.03.2010 - gegen 19.45 Uhr MEZ - Perma-Link

- Milgram 2.0 - Gehorsam im 21. Jahrhundert -

In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde unter der Leitung von Stanley Milgram an der Yale-Universität ein Experiment durchgeführt, das nachfolgend weite Kreise zog und heute als berühmt-berüchtigt gilt. Es ging in diesem Experiment darum, in welchem Ausmaß Menschen bereit sind, den Anweisungen einer Autoritätsperson zu folgen, auch wenn diese Anweisungen in hohem Maße unmoralisch sind. Der Hintergrund des Experiments bestand u.a. in dem Umstand, dass viele Täter, die im Dritten Reich andere Menschen gequält hatten, im Nachhinein auf einen Befehlsnotstand verwiesen.

Die Coverstory für das Experiment bestand in einer Lernaufgabe. Die Versuchsperson hatte dabei den Auftrag, als Lehrer zu fungieren und eine andere Versuchsperson (die in Wirklichkeit ein Mitarbeiter des Versuchsleiters war) für Fehler bei der Aufgabenausführung mittels Stromstößen zu bestrafen. Die Stromstöße sollten bei 15 Volt beginnen und sich bei jedem weiteren Fehler um 15 Volt erhöhen. Bei 450 Volt wurde das Experiment vom Versuchsleiter abgebrochen. Tatsächlich bekam der "Lernende" keine Stromstöße, sondern hatte lediglich entsprechend zu schauspielern. Von 75 bis 105 Volt sollte er leicht stöhnen, ab 120 Volt immer lauter schreien. Irgendwann sollte der "Lernende" die angebliche Lernaufgabe abbrechen. Die Versuchsperson sollte den "Lernenden" in jedem Fall weiter bestrafen. Der Versuchsleiter (ein vorgeblicher Biologielehrer in weißem Kittel) drängte die Versuchsperson dann auch mit Worten dazu weiterzumachen. Allerdings wurden der Versuchsperson selbst keine Sanktionen für das Nichtbefolgen der Anweisung angedroht. Das Experiment war zu Ende, wenn die Versuchsperson den Versuch abbrach oder aber die maximale Stromspannung erreicht wurde.

Alles war sehr echt inszeniert. Die eigentliche Versuchsperson bekam auch zu Demonstrationszwecken vorab selbst einen Stromschlag von 45 Volt verabreicht.

Das erschreckende Ergebnis bestand darin, dass 62.5 Prozent der Versuchsteilnehmer das Experiment "bis zum Anschlag" durchführten!

Das Experiment ist über die Sozialpsychologie hinaus recht gut bekannt und hat z.T. auch zu Verfilmungen angeregt. Das Ganze wurde nachfolgend sehr kritisch und als moralisch fragwürdig diskutiert, was v.a. damit zu tun haben dürfte, dass viele sich nicht vorstellen können und nicht wahrhaben wollen, dass Menschen tatsächlich derart gehorsam reagieren können.


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Nun hat man in Frankreich im Rahmen einer TV-Show ein ähnliches Experiment durchgeführt:

Reality-TV in Frankreich: Die manipulierbare Meute (FAZ)

Mit wiederum erschreckendem Ergebnis. 80 Prozent der Teilnehmer spielten widerspruchslos mit und leisteten jeder Aufforderung Gehorsam!

Man könnte nun dagegen halten, dass der Anteil konformer Nichtindividuen unter den Teilnehmern und Zuschauern in solchen TV-Shows vermutlich besonders hoch ist und bei einer repräsentativen Auswahl etwas andere Ergebnisse zu erwarten wären.

In dem Milgram-Experiment war es allerdings eine repräsentative Stichprobe von Personen, die als Versuchsperson agierten!

Aber sind wirklich 60 oder gar 80 Prozent der Menschen so böse?

Wohl eher nicht. Jedenfalls nicht böse im Sinne einer Persönlichkeitseigenschaft...

Es ist allerdings zu hinterfragen und darauf hinzuweisen, welche Rolle hierbei die äußeren Umstände spielen.

Welcher Konformitätsdruck herrscht eigentlich in einer Gesellschaft? Auch in unserer so "freien Gesellschaft westlicher Prägung". In den verschiedensten Situationen. Wenn ein Banker dazu gedrängt wird, seinen Kunden Produkte anzudrehen, die dieser ganz bestimmt nicht braucht. Wenn ein Arbeitsloser gezwungen ist, JEDE Arbeit anzunehmen, möglicherweise auch unmoralische Angebote... Es muss nicht unbedingt ein Angebot von Don Vito sein, das man nicht ablehnen kann...

Und wie wirkt sich ein solcher Konformitätsdruck aus, wenn wir dann plötzlich gefordert sind, Widerstand gegen unmoralisches Handeln oder unmoralische Befehle zu leisten? Man denke dabei auch an das dumme Gelaber gewisser Kreise, die bestimmte Formen von gewaltfreiem Protest gern als gesetzeswidrig abtun!

In den nachfolgenden Experimenten von Milgram waren es übrigens v.a. die physische Nähe zu einem Opfer, die den Gehorsam beeinflusste und die Anwesenheit anderer, die entweder Gehorsam oder Widerstand leisteten. Der Gehorsam war am größten, wenn die physische Nähe am geringsten war (analog einem Beamten, der lediglich einen Verwaltungsakt verfügt). Wenn auch andere Widerstand leisteten, dann waren "nur" 10 Prozent gehorsam. Der Gehorsam war ebenfalls geringer, wenn nicht ein Wissenschaftler im weißen Kittel, sondern eine offensichtlich gleichgestellte Person die Befehle erteilte.




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Bisher 3 Kommentare


1. Kommentar von Heiko C. gepostet am 19.03.2010 / 21:51 Uhr:
Schwierig. Ich hab keine Ahnung, wie ich reagiert hätte in so einer Situation. Ich möchte mir gerne vorstellen, dass ich irgendwann nicht mehr mitgemacht hätte, allerdings war ich noch nie in der Situation. Allerdings haber ich immerhin schonmal einen in meinen Augen unmoralischen Job abgelehnt trotz Arbeitslosigkeit und guten Verdienstchancen. Vielleicht haben die Arbeitgeber in spe da auch nur nicht die richtigen Knöpfe bei mir gedrückt, keine Ahnung. Gruselig solche Gedanken...

Anmerkung des Webmasters: Danke für Deinen Kommentar

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2. Kommentar von Ocean gepostet am 22.03.2010 / 10:45 Uhr:
Lieber Falk,

wenn mich nicht alles täuscht, kam auch im deutschen TV mal ein Bericht über einen derartigen Versuch ..ich glaub, mit dem Moderator von Galileo Mystery (Angabe ohne Gewähr ;) ) Auch hier das erschreckende Ergebnis - die Stromstöße wurden von dem jungen Studenten entsprechend den Anweisungen erteilt.

Ich war ziemlich fassungslos, als ich das gesehen habe, und hab erst einmal die Echtheit angezweifelt. Die können ja alles mögliche vorführen im Fernsehen ...

Da es ja anscheinend stimmt, daß Menschen so reagieren - find ich das einfach nur erschreckend. Natürlich läßt sich das theoretisch schwer beurteilen - und es handelte sich bei dieser Versuchsperson um einen relativ jungen Menschen. Rein gefühlsmäßig bin ich überzeugt, daß ich solchen Befehlen von "Weisskittel-"oder sonstigen Autoritäten nicht Folge leisten würde - zumal ich schon seit je her mit Autorität meine Probleme habe, und oft genug ungerechte Autoritätsausübung erlebt habe früher, gegen die ich mich vehement zur Wehr gesetzt habe - für mich und für andere. Mir ist es ein Rätsel, warum Menschen so reagieren. Wie gesagt - wenn man selbst nicht in der Situation ist, kann man da nur theoretisch was dazu sagen - ich HOFFE von ganzem Herzen, daß ich nie so einen Mist bauen würde.

Liebe Grüsse, Ocean


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3. Kommentar von Claudia / Vodia gepostet am 28.03.2010 / 00:32 Uhr:
Befehlsnotstand ist eine faule Ausrede. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die der Richter in den Nürnberger Prozessen nach dem 2. Weltkrieg. Sie warfen den Tätern vor, sie hätten auf ihr Gewissen hören müssen. Tatsächlich sind Menschen, die sich einer höheren Instanz verantwortlich fühlen als dem Befehlsgeber - nennen wir sie Gott - eher geneigt sich dem Befehl zu widersetzen und ihrem Gewissen zu folgen. Auch wenn dies für sie unangenehme Konsequenzen nach sich zieht. Was mir Sorge macht, dass die Menschen immer gewissenloser werden und ich fürchte mich davor wohin das immer wieder führen kann und wird.
Gruß Claudia


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