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Psycho-Blog vom 17.01.2008 - gegen 19.45 Uhr MEZ - Perma-Link

- Interkulturelle Kompetenz -

Wie angekündigt, soll es heute um ein Thema aus dem Bereich der angewandten Sozialpsychologie und Wirtschaftspsychologie gehen.

Als Aufhänger zu diesem Thema hatte ich euch gestern in diesem Beitrag eine Situation präsentiert, mit der sich ein ins Ausland entsandter Mitarbeiter konfrontiert sehen kann. Falls ihr euch diesen kleinen Test noch nicht angeschaut habe, so geht am besten vor dem Weiterlesen noch einmal zurück





...





Zunächst die Auflösung zur 1. Frage ("Wie erklären Sie sich diese Situation?"):

- Umweltschutz ist in Mexiko noch nicht weit fortgeschritten.
- Das Auto ist ein Statussymbol. Man zeigt gern, was man hat.
- Reiche haben saubere Autos, Arme dreckige.

Die Situation wie auch die Auflösung stammt aus einer Befragung von Personen, die einen Auslandseinsatz in Mexiko hinter sich hatten (Quelle: Neubauer & Rosemann, 2006, Führung, Macht und Vertrauen in Organisationen, S. 198ff).

Die 2. Frage habe ich mir zusätzlich dazu überlegt. Ginge es allein um die Anpassung an das jeweilige Gastland, mit dem Ziel, dort möglichst erfolgreich Geschäfte abzuwickeln, dann gäbe es natürlich nur eine "richtige" Antwort. Aber so einfach ist nicht

Ich habe für den letztgenannten Beitrag aus einer Auswahl von Situationen bewusst ein Szenario mit einem ökologischen Bezug ausgewählt, bei dem zumindest jemand, der umweltbewusst denkt und gleichzeitig für Verständnis gegenüber anderen Kulturen eintritt, ein bisschen überlegen muss

Im Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturen merkt man erst einmal, dass gewisse Selbstverständlichkeiten nicht selbstverständlich sind.

Wenn ich hier von eigener und fremder Kultur schreibe, so ist zu berücksichtigen, dass es solche Unterschiede nicht nur zwischen weit entfernten Erdteilen gibt. Der eine oder andere wird es vielleicht schon erlebt haben, dass es auch innerhalb Deutschlands kulturelle Unterschiede zwischen Regionen, verbunden mit Vorurteilen und Missverständnissen gibt

Der Umgang mit Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund setzt zum einen Wissen um die fremde Kultur als auch Verständnis und ein gewisses Maß an Toleranz voraus. Verständnis im Sinne von Verstehen und etwas nachvollziehen können, muss dabei noch nicht unbedingt Toleranz, Akzeptanz oder gar Respekt zur Folge haben.


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Zusätzlich erscheinen mir zwei Dinge wichtig:

1. Der Kontakt mit anderen Kulturen kann durchaus ein Anlass sein, den Sinn eigener kultureller Maßstäbe in Frage zu stellen.

2. Es ist eine bewusste Entscheidung, sich auf bestimmte Gegebenheiten einer anderen Kultur einzulassen oder auch nicht. Entscheidung bedeutet dabei auch immer, zwischen Alternativen wählen zu können.

Auf beide Punkten möchte ich gleich noch eingehen. Zunächst möchte ich allerdings auf zwei Studien eingehen, die sich mit kulturellen Unterschieden im Kontext von Arbeitsbeziehungen beschäftigt haben. Interkulturelle Kompetenz ist insbesondere dann erforderlich, wenn im In- und Ausland interkulturell zusammengesetzte Teams zu führen sind oder aber ein Mitarbeiter im Rahmen eines Auslandseinsatz mit den dortigen Gepflogenheiten konfrontiert wird.

Die klassische aber mittlerweile schon recht alte Studie dazu stammt von Geert Hofstede, der in den Jahren 1967 und 1973 insgesamt 117.000 IBM-Mitarbeiter in 53 Ländern befragt hat. Als Ergebnis dieser Studie lässt sich festhalten, dass sich Kulturen im wesentlichen in vier Dimensionen unterscheiden:

1. Machtdistanz: Damit ist gemeint, inwieweit in einer Kultur große Machtunterschiede zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern bestehen und akzeptiert werden bzw. eher eine Kultur der Gleichheit existiert. Große Machtunterschiede bestanden zum Zeitpunkt der Untersuchungen z.B. in Malaysia, Guatemala und Mexiko, die geringsten dagegen in Österreich.

2. Unsicherheitsvermeidung: Damit ist gemeint, inwieweit in einer bestimmten Kultur strukturierte Situationen bevorzugt werden und alles sehr stark durch Vorschriften geregelt ist oder ob man eher offen ist für neue Erfahrungen und unstrukturierte Situationen. Die höchste Ausprägung bzgl. einer Bevorzugung strukturierter Situationen hat man damals für Griechenland vorgefunden, die größte Offenheit für Singapur, Jamaika und Dänemark.

3. Individualismus vs. Kollektivismus: Dies meint, ob man als Person eher unabhängig von einer Gruppe agieren kann und soll oder aber stark eingebettet ist in soziale Bezugsgruppen wie etwa die Familie, die Firma, Vereine usw. Das höchste Ausmaß an Individualismus fand man damals für die USA vor, das höchste Ausmaß an Kollektivismus für Guatemala, Panama und Ecuador.

4. Maskulinität - Femininität: Damit ist gemeint, inwieweit eine traditionelle Rollenverteilung vorliegt. In einer maskulinen Kultur übernehmen durchgehend Männer die dominantere Rolle und es ist wichtig, "typisch männliche" Aktivitäten zu zeigen (Prahlen, Big-is-beautiful). Eine feminine Kultur gilt zum einen als relativ tolerant bzgl. der Rollenverteilung, zum anderen gelten "typisch weibliche" Werte als wichtig (Zurückhaltung, Lebensqualität, Umwelterhaltung, Small-is-beautiful). Das höchste Ausmaß an Maskulinität hat man damals für Japan festgestellt, das höchste Ausmaß an Feminität für Schweden.

Diese Ergebnisse sind natürlich immer vor einem bestimmten historischen Hintergrund zu betrachten. Kulturen wandeln sich und es gibt auch erzwungene Brüche ... z.B. wurde in den Untersuchungen von Hofstede für Deutschland-West eine stärker auch ausgeprägte traditionelle Rollenverteilung von Mann und Frau festgestellt als für die Türkei und den Iran Dürfte heute wohl anders aussehen. Hoffe ich mal

Eine weitere wichtige Studie zu diesem Thema ist das sogenannte GLOBE-Projekt, das seit 1993 unter der Leitung von Robert House an der University of Pennsylvania durchgeführt wird und an dem weltweit in 62 Ländern über 170 Wissenschaftler beteiligt sind. Hier geht es um verschiedene Fragestellungen, darunter auch, inwieweit bestimmte Kulturdimensionen mit bestimmten weiteren Variablen im Zusammenhang stehen.

Als besonders wichtig hat sich dabei die schon erwähnte Machtdistanz herausgestellt. Bei hoher Machtdistanz hat man großen Respekt bis hin zu Angst vor dem Chef. Bei geringer Machtdistanz hat man dagegen kein Problem damit, seinem Chef auch mal ehrlich die Meinung zu sagen. Innerhalb Europas gibt es z.B. eine relativ hohe Machtdistanz in Frankreich, eine geringe dagegen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Über alle weltweit untersuchten Länder hinweg hat man festgestellt, dass eine hohe Machtdistanz einhergeht starken familiären Bindungen, einer mitarbeiterorientierter Führung, aber auch mit Passivität, Fehlen von Mitbestimmung und einer großen Rolle der Regierung. Geringe Machtdistanz geht dagegen einher mit beteiligungsorientierter Führung, wirtschaftlicher Entwicklung, ausgeprägtem Wettbewerbsdenken, höherer Lebenserwartung, Gesundheit und Zufriedenheit.

Wenn es um den Umgang mit verschiedenen Kulturen geht, ist im weiteren noch die Dimension Individualismus-Kollektivismus besonders wichtig, weil es insbesondere unter Vernachlässigung dieser Dimension schnell zu Konflikten kommen kann. In einer individualistisch ausgerichteten Kultur erwartet man, dass der Einzelne unabhängig von äußeren Bedingungen dieselbe Meinung vertritt. Anderenfalls würde man als unzuverlässig gelten. Des weiteren wird erwartet, dass man seine persönlichen Ziele konsequent verfolgt und es wird als besonderer Erfolg gesehen, wenn sich jemand gegenüber seiner Gruppe durchsetzt. Persönliche Einstellungen und Werte sind wichtig. Es herrscht eine rationale Orientierung vor, wobei ein persönliches Kennenlernen vor der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung als Zeitverschwendung gilt. In einer kollektivistischen Kultur definiert sich der einzelne dagegen über seine Zugehörigkeit zur Gruppe. Meinungsäußerungen erfolgen in Abhängigkeit vom situativen Kontext, so dass z.B. ein Japaner in einer Arbeitsbesprechung gegenüber seinem Chef eine andere Meinung vertritt als er dies später im Rahmen eines informellen Beisammenseins in einer Kneipe tun wird. Ziele werden nicht individuell für sich verfolgt, sondern mit der Gruppe abgestimmt. Alles andere gilt in dieser Kultur als kindisch und unreif. Die Menschen in dieser Kultur sind beziehungsorientiert und erfolgreiche Geschäftsbeziehungen sind nur auf der Basis einer langfristig angelegten Vertrauensbeziehung möglich.

Ich wies zu Beginn dieses Beitrags darauf hin, dass man an manchen Stellen vielleicht auch von anderen Kulturen etwas lernen kann ... wenngleich ich persönlich auch eine größere Affinität zum Individualismus habe, so denke ich, dass wir in unserer Gesellschaft durchaus auch etwas von kollektivistischen Kulturen lernen können. Was Langfristigkeit und vertrauensvolle Beziehungen anbelangt, zu Kunden, Mitarbeitern usw. Z.B. solche Leute.

Andererseits hatte ich zu Beginn dieses Beitrags auch darauf hingewiesen, dass es eine bewusste Entscheidung ist, sich auf die Gegebenheiten einer fremden Kultur einzulassen. Oder auch nicht.

In meinem gestrigen Beitrag hatte ich auf eine Situation von ökologischem Bezug hingewiesen. In der verwendeten Quelle befanden sich noch weitere Beispiele, mit denen Mitarbeiter im Auslandseinsatz in Mexiko konfrontiert waren:
- wonach es unmöglich ist, dass jemand zugibt, etwas nicht zu wissen – und man deshalb eher eine falsche Wegbeschreibung bekommt als gar keine
- wonach es in Lateinamerika ein "anderes", auch "polychron" bezeichnetes Zeitverständnis gibt, d.h. ein Eintreffen zu einer Besprechung innerhalb von zwei Stunden gilt immer noch als pünktlich
- wonach nur die Gegenwart zählt und nicht für die Zukunft geplant wird...
... alles Dinge, die ich persönlich ziemlich ätzend finde und wo ich irgendwie nicht der Meinung bin, dass solche Dinge übernommen werden sollten

Im Kontakt mit anderen Kulturen ließen sich im weiteren noch viele Beispiele finden, wo es auch aus anderen Gründen etwas zur kurz gedacht ist, einfach nur Anpassung an die dortigen Sitten zu fordern, z.B. was den Umgang mit Frauen oder Minderheiten anbelangt ... selbst in unserem Nachbar- und nun auch EU-Land Polen.




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Bisher 1 Kommentar


1. Kommentar von Karin gepostet am 18.01.2008 / 00:33 Uhr:
Das sprichst Du natürlich wieder einiges an.

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich in dem Beispiel mit den mexikanischen Autowäschern tatsächlich mein Auto (wenn ich eines hätte) weggestellt hätte. Sollen die doch IHR kostbares Wasser verschwenden - sie werden früher oder später ohnehin erfahren, was sie davon haben.
Darüber hinaus denke ich, dass die EIGENE ERFAHRUNG immer noch die beste Methode zum eventuellen Umdenken ist. Warum sollte ich denen also einen Vortrag halten, den sie wahrscheinlich ohnehin kopfschüttelnd ablehnen würden? Dass sie mich wegen des schmutzigen Autos wohl als "Arme" betrachten würden, wäre mir in dem Zusammenhang ziemlich egal.

Bei den ersten beiden Punkten "Machtdistanz" und "Unsicherheitsvermeidung" fallen mir spontan streng islamische Länder und Nationen ein. Deshalb wundert es mich etwas, dass laut der Studie zumindest in der Vergangenheit in Westdeutschland die traditionelle Rollenverteilung einen höheren Wert besaß als im Iran (!!!).
(Warum das in Ostdeutschland - der Umkehrschluss daraus - anders gewesen sein soll, kann ich mir nur teilweise erklären: Klar, die Frau ging ebenfalls arbeiten; dafür gab es Kinderhorte... aber trotzdem war es doch auch dort die Frau, die zusätzlich noch den Haushalt zu erledigen und hauptsächlich für die Kindererziehung zuständig war - oder? Vielleicht wäre das ein Thema für einen nächsten Blogbeitrag...).

In einem Punkt muss ich Dir Recht geben: Leute wie der Nokia-Chef könnten in diesem Sinne wirklich einiges von den kollektivistischen Kulturen lernen. Ich finde es immer wieder zum K*****, wenn ich so etwas in den Nachrichten lesen muss. Aber eine Ende dieser Praktiken ist wohl noch nicht in Sicht.
Allgemein denke ich auch, dass man immer etwas von anderen Kulturen lernen kann - und umgekehrt andere auch von der eigenen (ohne jetzt meine kulturelle Identität über andere zu stellen - ich denke, ich wurde schon richtig verstanden; es sei nur klargestellt für eventuelle Einmal-Blogbesucher, die mich und meine Ansichten nicht kennen).
Ebenfalls denke ich, dass bei den meisten Punkten sowohl die eine als auch die andere Seite ihre Vorteile hat. Es kommt meiner Ansicht nach halt immer auf die Ausgewogenheit an.
Ein Beispiel, um zu verdeutlichen, was ich meine: Ich persönlich finde es wichtig, meinen Individualismus ausleben zu können (wenngleich ich in manchen Dingen wiederum etwas individualistischer sein könnte - vielleicht bin ich es ja auch, trage dies jedoch "dank" meiner häufigen Introvertiertheit und nicht seltenen Distanziertheit - zumindest am Anfang, wenn ich in ein neues soziales Umfeld komme - nicht ausreichend nach außen in die Gesellschaft). Zugleich halte ich aber auch kollektivistische Werte wie etwa Familie und Solidarität für wichtig.

Um diesen Kommentar zu verkürzen (mir würde noch viel dazu einfallen): In den unten aufgeführten Punkten stimme ich mit Dir überein.
Das mit der (Un-) Pünktlichkeit scheint in Spanien - bei familiären Feiern eher nicht - ähnlich zu sein; wenn auch nicht ganz so extrem. Aber eine halbe bis dreiviertel Stunde bei privaten Terminen gilt dort offenbar als "normal". Man sollte also schon etwas Geduld mitbringen (auch sonst - beim Temperament z.B.), wenn man sich mit einem spanischen Menschen verabredet. Dies zur Info für alle, die vorhaben, ihren nächsten Urlaub dort zu verbringen, oder u.U. auch geschäftlich nach Spanien reisen müssen (zu diesem letzteren Fall kann ich aus eigener Erfahrung allerdings leider nichts sagen).

LG Karin


Anmerkung des Webmasters: Danke für Deinen Kommentar

Der Iran muss vor 1979 deutlich liberaler als heute gewesen sein ... diese Untersuchungen von Hofstede sind übrigens nur in 53 Ländern gelaufen. Staaten aus dem Ostblock waren nicht mit dabei


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